Die Vinothek der Weinbruderschaft
Hans-Adolf Polch, Traben-Trarbach
Laut DUDEN handelt es sich bei einer Vinothek um eine Sammlung kostbarer Weine (lat. vinum „Wein“, griech. theke „Behältnis“). Die aussagekräftige DUDEN-Definition ist in unserem Fall noch ergänzungsbedürftig, ist unsere Vinothek nach wie vor auch sehr umfangreich.
Die Gründerväter der Weinbruderschaft trafen vor rund 40 Jahren neben vielen anderen die grundlegende Entscheidung, eine Vinothek aufzubauen. Auch wenn dies nicht überliefert ist, war hierfür sicher weniger die Befürchtung künftiger schrecklicher Weinknappheit und damit verbundener gravierender Folgen für Weinfreunde ausschlaggebend. Vielmehr wollte man im Wissen um die besonderen Vorzüge unseres Rieslings – insbesondere seines hohen Alterungspotentials/seiner Langlebigkeit sich und künftigen Weinfreunden die Möglichkeit schaffen bzw. erhalten, dieses enorme Potential unseres Rieslings zu erleben und zu genießen.
Natürlich spielte dabei auch eine Rolle, dass es in früheren Jahrzehnten jeweils immer nur wenige hervorragende Jahrgänge gab, während wir heute von den Klimaveränderungen verwöhnt werden und gar keine schwächeren bis schlechten Weinjahrgänge mehr kennen.
Unsere umfangreiche (mehrere tausend Flaschen) Vinothek umfasst heute ausschließlich Rieslingweine aus über vier Jahrzehnten (abgesehen von noch älteren Rest-Raritäten) aus sehr vielen Weinlagen unseres gesamten Weinbaugebietes Mosel-Saar-Ruwer. Damit war es uns insbesondere in den letzten Jahren möglich, unsere Veranstaltungen mit Weinverkostungen aus den letzten vier Jahrzehnten darzustellen. Daneben gestalten wir besondere festliche Gelegenheiten, insbesondere die Begrüßung von Neumitgliedern mit ausgesuchten Raritäten.
Wenn überhaupt, wäre es heute fast unmöglich und außerdem wahrscheinlich unerschwinglich, die meisten dieser reiferen Raritäten ins Glas zu bringen. Ein wenig Stolz schwingt schon mit bei der Annahme, dass es unter den mittlerweile über 40 deutschsprachigen Weinbruderschaften nur sehr wenige mit einer der unsrigen vergleichbaren Vinothek geben dürfte.
Der Einkauf für die Vinothek gestaltet sich jedes Jahr erneut schwierig, haben wir doch inzwischen über 100 Weinschwestern und Weinbrüder mit "Weinhintergrund" (also Winzer, Weingüter, Kellereien etc.) bei gleichzeitig durch einen moderaten Mitgliedsbeitrag begrenztem Einkaufsbudget, das neben unvermeidlichen anderen Kosten für möglichst viele, möglichst gute Weine von möglichst vielen Winzern unseres gesamten Weinbaugebietes reichen soll. Es gilt nach wie vor der Präsidiumsbeschluss, grundsätzlich nur von Mitgliedern Weine in die Vinothek einzulagern, solange wir so viele gute Erzeuger unter uns haben.
Besonderer Dank gilt an dieser Stelle unseren Weinfreunden für ihr freundliches preisliches Entgegenkommen, wofür wir uns mit unseren sicherlich auch werbewirksamen herausragenden Verkostungen revanchieren.
Erwähnt sei, dass trockene Weine mit Blick auf die Haltbarkeitsproblematik nicht eingelagert, sondern jeweils frisch zu den entsprechenden Gelegenheiten aktuell mit Bezug auf die bewusst wechselnden Veranstaltungsorte in unserem Gebiet beschafft werden.
Aus der bisherigen Darstellung lässt sich erahnen, dass unsere Vinothek über die Jahre auch erheblichen Arbeitseinsatz erfordert, der weitgehend im Verborgenen abläuft. Hierfür waren – und sind es bis heute - die jeweils gewählten Kellermeister verantwortlich, bei Bedarf unterstützt durch andere Helferinnen und Helfer.
Hier ein grober Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Planung und Durchführung des Einkaufs, einlagern, zusammenstellen von Sortimenten für Weinproben und anderen Gelegenheiten in Abstimmung mit den Zeremonienmeistern, heraussuchen und ggfs. Vorprobe der Weine sowie Verpackung/Transport inklusive Sicherstellen der Kühlung vor Ort, entkorken und organisieren des Ausschanks bzw. Aufbau der Verkostung im Programmverlauf. Danach – wenn alle wieder hoffentlich weinselig- auf dem Heimweg sind, muss wieder auf –und abgeräumt werden und überzählige Flaschen müssen retour in die Vinothek.
Erfreulicherweise brachte die wieder deutlich gestiegene Mitgliederzahl sowie die Qualität unserer Veranstaltungen auch zunehmend größere Resonanz der Weinfreunde. Dies macht eher den Zeremonienmeistern Kopfschmerzen, immer wieder geeignete, ausreichend große und repräsentative Örtlichkeiten zu finden, weniger aber den Kellermeistern, denn für ausreichend Wein hatten wir bisher immer sorgen können. Zugegeben – gelegentlich brachte selbst uns der große Zuspruch etwas in Bedrängnis, was für eine Weinbruderschaft aber durchaus in Ordnung ist. Denn das geht nicht zusammen: ein Treffen der Weinbruderschaft und irgendwann ist kein Wein mehr da! Um eine Hausnummer zu nennen: Inklusive Begrüßung, Neuaufnahmen, Gastpräsente, Essensbegleitung, großer Verkostung (meist Tischpräsentation) wurden in den letzten Jahren 300- 500 Flaschen pro Veranstaltung ausgeschenkt.
Der Überblick wäre unvollständig ohne die Erwähnung z.T. außerplanmäßiger, arbeitsintensiver Einsätze. So musste die Vinothek zwei Mal umziehen: zuerst wegen einer Kündigung des Pachtverhältnisses in ein Notquartier, das sich aber letztlich als zunehmend ungeeignet, weil zu feucht, zu unpraktisch etc. erwies. Das Präsidium war nach langer Suche besonders erfreut über das großzügige Angebot unserer derzeitigen Kellermeisterin Helga Wehr, mit der Vinothek zu günstigen Bedingungen in ihren Keller nach Bernkastel-Kues umzusiedeln. Hier haben wir vor ca. sieben Jahren den für unsere Zwecke in jeder Hinsicht bestens geeigneten Keller gefunden, der keine Wünsche offen lässt. Allerdings war der Umzug mit allem Drum und Dran ausgesprochene Schwerstarbeit, was uns aber neben viel Schweiß nur etliche Flaschen Wein, ungezählte Brötchen und einige Ringe Fleischwurst gekostet hat.
Viel Spaß gemacht, weil dabei auch viele Schätze durch die Hände wanderten, haben danach mehrere sehr arbeitsintensive Erfassungs- und Räumaktionen, die dann die Grundlagen für die heute nicht mehr wegzudenkende Bestandsverwaltung per Computer mit der daraus folgenden Verbesserung der Arbeitsbedingungen waren.
Zum guten Schluss: unsere Vinothek und die dafür im Laufe der Jahrzehnte ehrenamtlich und mit hohen Zeiteinsatz Tätigen haben wesentlich dazu beigetragen, dass unsere Weinbruderschaft ihren Auftrag aus der Gründungs-Satzung (§2) bisher erfolgreich erfüllt hat, nämlich Freunde der Weine von Mosel-Saar-Ruwer mit dem Bestreben zu vereinen, das Wissen um das Kulturgut Wein zu fördern und zu Hebung der Weinkultur beizutragen.
Im Mosel-Anruf Nr. 38 aus dem Jahre 2008 wurde bereits ausführlich über Historie, Ziele, Entwicklung, Lagerungskriterien etc. unserer Vinothek seit Gründung unserer Weinbruderschaft berichtet. Deshalb will ich mich hier auf einige zusätzliche Informationen beschränken.
Nach wie vor gilt, dass nur bei unseren Mitgliedern eingekauft wird, und zwar in etwa nach dem prozentualen Anteil ihrer Zugehörigkeit zu den Bereichen Großraum Trier, Mittelmosel oder Terrassenmosel. Dabei soll möglichst auf einen repräsentativen Lagen-Mix geachtet werden.
Bei seit fast 20 Jahren unverändertem Mitgliedsbeitrag, kontinuierlich gestiegenen Kosten und Weinpreisen, aber auch erheblichem Mitgliederzuwachs gelang es in den vergangenen Jahren, jeweils ein Einkaufsbudget von rund 4000 € bereitzustellen. Wer die für die meisten Winzer positive Entwicklung der Weinpreise für gute Qualitäten beobachtet hat, wird das je nach seinen Qualitätsansprüchen für viel oder eher wenig erachten.
Ausdrücklich gedankt sei an dieser Stelle unseren Weingütern für ihr großzügiges preisliches Entgegenkommen, was unseren Spielraum etwas erweitert.
Ziel war und ist, bei gegenüber früheren Jahrzehnten deutlich zurückgefahrenem Gesamtbestand unsere Aktionsfähigkeit in puncto Wein für unsere Veranstaltungen zu erhalten. Dabei orientieren wir uns auch an dem jeweils der Vinothek entnommenen Jahresverbrauch, der aber je nach Art, Ort und Umfang der Veranstaltungen stark schwankte – zwischen 400 und 800 Flaschen pro Jahr.
Zur Abrundung bzw. Steigerung der Attraktivität haben die jeweils verantwortlichen Zeremonienmeister die Möglichkeit, vor Ort hinzu zu kaufen, was insbesondere für den zunehmenden Bedarf an guten, frischen Trockenen gilt.
Daneben bestreiten wir aus der Vinothek, wenn möglich, Wein-Honorare für Vorträge, künstlerische Darbietungen, Dank-Präsente und Ehrungen. Natürlich kann das Präsidium einer Weinbruderschaft bei seinen 6 bis 8 Sitzungen im Jahr nicht arbeitsfähig sein und keine guten Beschlüsse fassen, ohne die entsprechende Weinbegleitung.
Insgesamt hat sich unser Einkaufsverhalten dem sich verändernden Trinkverhalten angepasst, was bei der Individualität der "Geschmäcker" nicht leicht ist. Früher galt, in den wenigen guten bis sehr guten Weinjahrgängen im jeweiligen Jahrzehnt sich möglichst viel davon zu sichern (größere Partien) mit Schwerpunkt restsüß. Damit konnten unsere Veranstaltungen weitgehend bestückt werden, u.a. große, kommentierte Verkostungen.
Vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen gab es praktisch keine "schlechten" Weinjahrgänge mehr, so dass sich die jeweiligen Partiengrößen bei meist 24 Flaschen einpendelten. Die dadurch mögliche bessere Streuung nach Regionen und Lagen sowie Qualitätsstufen trägt auch der Tendenz zu jüngeren, frischeren Weinen, unter anderen im trockenen, insbesondere aber im feinherben Bereich Rechnung. Natürlich werden je nach Jahrgang unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt; z. B. gab es 2008 wieder mal mehr moseltypische Kabinettweine.
Geändert mit dem oder durch das allgemeine Trinkverhalten hat sich auch der Charakter unserer Veranstaltungen, und das mit Erfolg, wie die gestiegenen Teilnehmerzahlen zeigen. Soll heißen, wir sind weggekommen von großen, kommentierten Weinverkostungen. mit etwas Essen als Grundlage zu Veranstaltungen unter dem Motto ESSEN und WEIN, meist verbunden mit weniger umfangreichen, wenn auch hochwertigen Tisch-Weinpräsentationen.
Was nicht heißen muss, dass wir aus der Vinothek nicht doch hin und wieder mal eine große Riesling-Verkostung darstellen können und wollen.
Immer wieder wird Interesse bekundet an unseren aktuellen Weinbeständen in der Vinothek.
Besser als viele Worte und Zahlen zeigen dies die nachstehenden graphischen Auswertungen – nach Jahrgängen, Qualitätsstufen und Geschmacksrichtungen.
Die Fotos von unserem letzten Arbeitseinsatz/Aufräumaktion Mitte Mai zeigen, dass eine Vinothek auch gepflegt werden will.